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AE
„Treffen sich zwei“ von Iris Hanika

Es beginnt mit einem Sommernachtstraum . Vor dem Hintergrund eines schwülen Augustsnezarios erzählt Iris Hanika in wortgewaltigen Bildern von der Entgrenzung der Körper und vom Stillstand der Zeit. Diese poetische Exposition erweist sich bald als Nährboden einer klever kalkulierten Versuchsanordung. Auf Seite 14 lässt die Autorin ihre beiden „Probanden“ in einem Kreuzberger Szenelokal aufeinander und im selben Augenblick von einem Coup de Foudre treffen. Sehr rasch und ohne verbale Umschweife respektive gegenseitige biographische Offenbarungen landen Senta und Thomas im Bett. So weit, so traumhaft. Doch schon bei der ersten Verabredung gerät die Beziehung der beiden über 40-jährigen Singles in Schieflage.

Hanika beschreibt in diesem ihrem ersten Roman sehr genau, zu welchen Irritationen und Missverständnissen die Gleichzeitigkeit von Fremdheit und Intimität führen kann. Nur im Sex, der im Übrigen taktvoll ausgeblendet wird, scheint die Kommunikation wahrhaftig und unkompliziert zu sein. Allerdings wird Thomas und mit ihm der Leser in der komischsten Szene dieses an Ironie nicht armen Romans eines Besseren bzw. Schlechteren belehrt. Hanika schildert Senta als ewig heulende, oft am Rande der Hysterie balancierende Frau, die den pragmatischen, eher unkomplizierten Mann während einer Woche immer wieder in seinen Glücksgefühlen stoppt, ihn mal wütend, mal ratlos macht und schließlich vergrault.

Der abstrakte Titel „Treffen sich zwei“ ist natürlich vieldeutig. Nicht nur Mann und Frau treffen sich in dieser Versuchsanordnung, sondern mit ihnen prallen eine ganze Reihe von Gegensätzen aufeinander: Geisteswissenschaftlerin - Systemberater, Irrationalität - Rationalität, Eros - Agape, Liebe - Hass, Flucht - Annäherung, Verzweiflung - Glück - und nicht zuletzt das geteilte Berlin als Schauplatz, in dem sich die beiden um eine Beziehung Ringenden spiegeln. Besonders deutlich wird dies auf einem Spaziergang an der Grenzlinie zwischen Kreuzberg und Mitte, früher geeint als Luisenstadt, jenen beiden Bezirken, „die so lange voneinander nichts wußten, daß sie sich nun wie Fremde gegenüber stehen“.

Die Autorin hat ihre Geschichte kunstvoll komponiert. Immer wieder wechselt sie den Ton. Mal schreibt sie szenig lax, mal poetisch artifiziell. Sie flicht Songtexte ein, lateinische Lyrik, Kleist-Zitate, Sachbuchprosa und Schauspielszenen. All dies liest sich erstaunlich flüssig und unterhaltsam. „Treffen sich zwei“ das bedeutet nicht zuletzt das Aufeinandertreffen von Kunst und Leben im Roman. So sehr auch die Kunsthaftigkeit dieses Romans durch Collagetechnik und ironische Erzählhaltung transparent wird, so entsteht in ihm dennoch eine Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit, die gefangen nimmt. Ob das Happy End wirklich ernst gemeint ist, mag der Leser entscheiden. Nicht zufällig endet der Roman an einer Straßenkreuzung.

Iris Hanika: „Treffen sich zwei“.
Roman
Droschl Verlag, 2008, 240 Seiten, gebunden, 21×13 cm, 19 Euro.
ISBN-13: 9783854207375
11.02.2011 (1)
JW
Stephen Fry on language and pedants
Dieser wunderbaren Kritik des ebenfalls wunderbaren Stephen Fry können wir nur antworten: "guilty, m'lord".

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